Sonntagsöffnung keine Priorität?

Oodi Helsinki "Childrens playground" (Photo: Risto Rimppi)

Es steht im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung (Ampel Koalition: SPD, Grüne, FDP): man wolle die Bibliothek als Dritten Ort stärken und die Sonntagsöffnung ermöglichen…

In der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung (SVV) war es ein Antrag der Linken (!), der die Stadtverwaltung aufforderte, eine Sonntagsöffnung der SLB zu prüfen. Eigentlich war die Antwort zu erwarten, die jetzt aus dem Rathaus kam: kein Geld in der aktuellen Krisenlage.

In der Anlage zur Mitteilungsvorlage Erweiterung Öffnungszeiten Bibliothek, bezüglich DS Nr. 21/SVV/1363 (einsehbar im Ratsinformationssystem der Stadt) ist zu lesen:

Angesichts der krisenhaften Haushaltssituation kann die Sonntagsöffnung der Bibliothek derzeit nicht realisiert werden, da dafür zusätzliche Mittel erforderlich wären, die absehbar nicht bereitgestellt werden können.

Es wird daher vorgeschlagen, die Haushaltslage jährlich zu prüfen. Sollten sich finanzielle Spielräume ergeben, kann das vorliegende Prüfergebnis aktualisiert und zur Entscheidung eingereicht werden.

Wir halten das für kurzsichtig und bedauerlich, schwört es im Ergebnis eigentlich wohl eine der nächsten Krisen hervor. Leider ist es in der Politik (bisher) immer so, dass nur nach kurzfristigen Renditen und Kosten geschaut wird. Eine volkswirtschaftliche „Umwegrentabilitätsrechnung“ ist kompliziert und für Verantwortliche im Tagesgeschäft oft wenig nachvollziehbar. Es gilt, schnell vorzeigbare Ergebnisse aufzuweisen und nur auf akut sichtbare Krisen zu reagieren. Vorsorge und Nachhaltigkeit ist wie bei den Überschwemmungen im Ahrtal und in Pakistan zu sehen keine Sache der aktuell gewählten Politik.

Die Entscheidung in Potsdam erstaunt umso mehr, als das weltweit ein Umdenken in Sachen Wirkung von Bibliotheken für das Gemeinwohl zu verzeichnen ist [1]. Auch in direkter Umgebung lässt sich beobachten, dass auch die nächste politische Ebene (hier das Land Berlin) sich mit expliziter Förderung einschaltet und die Entscheidung nicht den klammen Kommunen allein überlassen wird. Bei der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam würde einem dies auch sofort einfallen.

Das Projekt „Netzwerk der Wärme“ in Berlin zeigt, was alles möglich ist: an der vom Senat unterstützten Initiative beteiligen sich Bibliotheken. Sie erweitern ihre Öffnungszeiten und stellen ihre Räume auch an Sonntagen zur Verfügung. In unserer Presseerklärung verweisen wir explizit darauf:

„Das Berliner Beispiel zeigt, dass auch in Zeiten knapper Kassen Prioritäten gesetzt werden können, wenn es darum geht, den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Krisenzeiten zu stärken. Insofern sehe ich es als falsches Signal, das Potsdamer Pilotprojekt Sonntagsöffnung auf unbestimmte Zeit zu verschieben“, so der Vorsitzende des Fördervereins der Bibliothek, Prof. Dr. Hans-Christoph Hobohm.

Ein weiterer Auszug aus unserer Presseerklärung (im Wortlaut hier unter News zu finden):

Es wurde wieder nur kurzfristig gerechnet und nicht nachhaltig gedacht. Würden die langfristigen volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen einer zu geringen Finanzierung von Bildung, Demokratie und Kultur eingerechnet, so müssten die Haushaltsprioritäten andere sein. Insbesondere der Sonntag, mehr noch als der jetzt schon frequenzstarke Samstag, böte Familien die Möglichkeit, in Ruhe und entspannt der nachfolgenden Generation andere, insbesondere analoge und qualitätsgesicherte Lernwelten näher zu bringen. „Aus der Forschung wissen wir, dass Personen, die nie mit ihren Eltern in einer Bibliothek waren, auch niemals Bibliotheksnutzer in ihrem Leben werden. „Wann, wenn nicht sonntags kann das passieren in unserer angespannten und krisengeschüttelten Zeit?“ sorgt sich Prof. Hobohm.

Man könnte sagen: „aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, aber angesichts der auch krisenhaften Personalsituation im Rathaus Potsdam, sind wir da skeptisch. Uns treibt mehr noch als alle aktuellen Katastrophen, die diese ja eher bedingenden vielfältigen Informationskrisen um, die unsere Gesellschaften bedrohen [2].


Zum Beitragsbild: es ist ein Blick in den „Childrens Playground“ der Stadtbibliothek Helsinki genannt „Oodi“ (die Ode) aus dem lesenswerten Sammelband [1] (Foto: Risto Rimppi)

[1] Slijkerman, Diederick; van Vlimmeren, Ton (Hg.) (2021): Living libraries. The house of the community around the world. Utrecht: de Bibliotheek Utrecht.

[2] Haider, Jutta; Sundin, Olof (2022): Paradoxes of media and information literacy. The crisis of information. New York, NY: Routledge.

 

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