Verlesen, #fairlesen ?

Aktuell gibt es eine Art „Shitstorm“ gegen den Börsenverein des Deutschen Buchhandels und einige seiner prominenten Autoren, die am Wochenende in überregionalen Zeitungen großformatige Anzeigen geschaltet haben, die suggerieren, dass sie die Tatsache, dass Bibliotheken Bücher an Leser ausleihen verurteilen, weil ihnen damit Tantiemen verloren gingen. Die Argumente klingen zunächst sehr sozial: Schreiben muss sich lohnen (s. Website der Kampagne). Warum aber dann die soziale Gemeinweseneinrichtung Bibliothek zur Zielschreibe werden muss, erschließt sich zumindest bei genauerem Hinsehen nicht ganz (s. die differenzierte Antwort des Deutschen Bibliotheksverbandes).

Irgendwie erinnert diese Kampagne an die der Fernseh-Prominenten unter #allesdichtmachen und an das bekannte Negativcampaigning in der Politik. Und es ist erschreckend mit wieviel Geld Lobbyarbeit betrieben wird, auch auf dem Rücken von Lesern und Autoren. In den Social Media gab es nun viele Stimmen, die sagten, dass sie nunmehr keinen Cent mehr für die unterzeichnenden Autoren mehr ausgeben werden. Das ist tatsächlich keine Debattenkultur mehr, sondern nur noch eine Erregungskultur, die letztlich den Medien dient und nicht dem Gemeinwohl.

Es ist auch unverständlich, dass hier der Gesetzgeber, obwohl er E-Books und Printbücher nunmehr steuerlich gleichgestellt hat, nicht weiter konsequent ist. Die unterzeichnenden Autoren jedenfalls haben ihre Unterschrift nicht zu Ende gedacht. Ist es nicht letztlich so, dass mit den „neuen“ Formaten Verlage und Autoren oft sogar mindestens dreifach verdienen?

Das Hörbuch dient als „Einstiegsdroge“ um das Buch überhaupt erst kennen zulernen, z.B. nebenbei während der Autofahrt, dem Joggen oder der Gartenarbeit. Danach kauft der intereressierte Leser natürlich das E-Book (falls das Buch gut war) um das eine oder andere nachzuschlagen oder korrekt zitieren zu können. Schließlich landet das Buch als physisches Exemplar auf dem Couchtisch als zu bewahrendes Kulturgut und wird von dort den Freunden empfohlen und als Geschenk weiterverbreitet in weiteren Exemplaren.

Und: natürlich kann sich diesen Luxus nicht jeder leisten. Aber ist es nicht umgekehrt eher zynisch von den Autoren zu sagen, dass sie nicht verstehen, dass sich manche sogar die 20 Euro für ein E-Book nicht leisten können?

Sogar der Digital-Guru Mario Sixtus schrieb auf Twitter dazu:

Öffentliche Bibliotheken sind eine aus der Zeit gefallene Institution; sie sind praktizierte Solidarität mit Menschen, die sich keine Bücher leisten können. Jetzt, da jede Form von Solidarität als linker Extremismus gilt, fordert man eben auch die FDP-isierung des Lesens.

Und natürlich meint er, dass gerade in unserer Zeit Gemeinwohlorientierung und Solidarität Not tut.

1 Trackback / Pingback

  1. 23. April = „Welttag des Buches“ – Potsdamer Bibliotheksgesellschaft e.V.

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