Die Bibliothek ist ja leider selten in der offiziellen politischen Diskussion. Aber letzte Woche war sie Thema in der Stadtverordnetenversammlung (SVV) der Landeshauptstadt Potsdam.
Als Tagesordnungspunkt 8.18 wurde von den Fraktionen DIE LINKE und Bündnis90/Die Grünen folgender Antrag eingebracht:
Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:
Der Oberbürgermeister wird beauftragt zu prüfen, unter welchen rechtlichen, personellen und finanziellen Voraussetzungen es möglich ist, dass die städtische Bibliothek auch sonntags geöffnet haben kann.
Die Sonntagsöffnung kann zunächst als Pilotprojekt für zwei Jahre angelegt sein. Danach soll ausgewertet werden, ob das Projekt fortgeführt und gegebenenfalls auf die Stadtteilbibliotheken ausgeweitet werden kann.
Die Stadtverordneten sind im 4. Quartal 2022 über den Stand der Prüfung zu informieren.
Es war insgesamt eine außerordentlich lange und von vielen in der Potsdamer Stadtgesellschaft erwartete (und per Videokonferenz beobachtete) Sitzung. Es musste der Haushalt des Jahres 2022 beschlossen werden und es waren etliche heiß diskutierte Themen der Stadtplanung auf der Tagesordnung. Deshalb wurde wie üblich eine Reihe von Anträgen per Konsensliste gleich zu Beginn der Sitzung „in die Ausschüsse“ verwiesen. Darunter auch dieser Antrag. Wir können gespannt sein, wie die Diskussion weitergeht im Ausschuss für Bildung und Sport und im Finanzausschuss in 14 Tagen.
Die Landeshauptstadt Potsdam könnte, sollte es zu einer vernünftigen Lösung kommen, damit Vorreiter werden zur Behebung einer aktuell unglückliche Situation in der kulturellen und digitalen Bildung. Die in ihrer Aufgabenstellung sehr ähnlichen Museen und Theater dürfen sonntags besucht werden. Bibliotheken und ihre Sammlungen und Räume dagegen aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht. Dieser juristische Unterschied lässt sich der Bevölkerung nicht gut vermitteln. Das Land Nordrhein-Westfalen hat es mit seinem 2019 verabschiedeten „Bibliotheksstärkungsgesetz“ vorgemacht, dass es geht und notwendig ist.
Die Begründung des Antrags formuliert es richtig und deutlich:
Im Koalitionsvertrag bekennen sich SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP zur Stärkung von öffentlichen Bibliotheken als dritte Orte und wollen Sonntagsöffnungen ermöglichen.
Sonntags wird in der Regel nicht gearbeitet, also der perfekte Tag für einen Besuch im Kino, im Theater oder im Museum. Wer aber in die städtische Bibliothek möchte, der steht vor einer verschlossenen Tür. Es gibt in Brandenburg keine Ausnahme für Bibliotheken vom Bundesarbeitszeitgesetz – für Kino, Oper, Museum und Theater hingegen schon. In NRW hingegen wurde im Jahr 2019 das Bibliotheksstärkungsgesetz verabschiedet, welches es den dortigen Bibliotheken ermöglicht, nun auch sonntags zu öffnen. Dies wäre sicherlich auch ein erstrebenswerter Ansatz im Land Brandenburg.
Für Bibliotheken bietet der Sonntag die Chance, ihr Profil als Dritter Ort im Sinne der nichtkommerziellen Sinnstiftung und Begegnung, der Medienbildung und nicht zuletzt als Forum zum Austausch zu stärken.
Sich ändernde gesellschaftliche Rahmenbedingungen erschweren vielen Menschen den Bibliotheksbesuch unter der Woche. Die Konsequenz wäre eine Ausweitung der Öffnungszeiten auf den Sonntag.
Eine konsequente Kundenorientierung stärkt die Position der städtischen Bibliothek. Öffnungszeiten sind dabei ein wichtiges Kriterium für eine sinnvolle und komfortable Bibliotheksnutzung. Mit der Sonntagsöffnung können bestimmte Zielgruppen, zum Beispiel Familien, Berufstätige, Schüler, besser erreicht werden, so kann die Nutzung gesteigert werden. Bei Bibliotheken, die bereits sonntags geöffnet haben, zeigt sich zudem der Trend, dass der Sonntag für einen Besuch beliebter ist, als der Samstag.
Auch vor dem Hintergrund der geltenden Arbeitszeitregelungen scheint es auch in Brandenburg möglich zu sein öffentliche Bibliotheken zu öffnen. Möglich ist dies, sofern nicht eigenes Personal an einem Sonntag eingesetzt wird. Daher öffnen verschiedene Bibliotheken im Bundesgebiet, so wie die Zentralbibliothek der Bücherhallen Hamburg, künftig sonntags mit einem Veranstaltungskonzept. Ausleihe und Rückgabe wurden bereits umfassend automatisiert, so dass auch sonntags Medien ausgeliehen werden können.
Auch bei der Zentral- und Landesbibliothek Berlin findet ein Veranstaltungsprogramm statt, das von einer externen Agentur durchgeführt wird, ohne eigenes Personal. Aufgrund der Selbstverbuchung ist eine selbstständige Medienausleihe nebenbei möglich. Das wird in Berlin seit mehreren Jahren sehr gut angenommen.
Vor diesem Hintergrund sollten alle Möglichkeiten ausgelotet werden, die Stadt- und Landesbibliothek in Potsdam auch an Sonntagen zu öffnen.
Die beste Stärkung für Bibliotheken wären allerdings regelrechte Bibliotheksgesetze wie in Ländern, die die bedeutende Rolle der Bibliotheken zur Stärkung der Demokratie erkannt haben. Sie sollten der Gesellschaft so wichtig sein, dass sie sie als „Pflichtaufgabe“ anerkennen. Sonst steht zu befürchten, dass die Potenziale von Bibliotheken zur Stärkung der kulturellen und digitalen Kompetenz nicht genutzt werden und sich damit Desinformation und Demokratiefeindlichkeit weiter verbreiten. Es ist angesichts des enormen gesellschaftlichen Wandels in der Tat eine Frage des Geldes, ob jetzt investiert wird in die Zukunft oder später mit hohen Kosten verbundene Schäden repariert werden müssen.
Die Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ) berichtete davon.
Der Kulturausschuss und der Finanzausschuss hat den Antrag aus der SVV am 15.2.22 bzw. am 16.2.22 befürwortet.